Genferseeregion

Stockalper-Park

Stockalper-Park
Brig/ VS

Meisterlich komponierte Klarheit

Idealerweise betritt man den Park vom Schloss her. Nachdem man durch die Gassen der Altstadt zum Schloss gelangt ist, dort im beeindruckenden Arkadenhof verweilt und das italienisch angehauchte Ambiente bestaunt hat, tritt man rechts hinaus auf einen Vorhof beziehungsweise eine Terrasse, von der aus sich der Park gut überschauen lässt.

Und was sieht man? Eine Anlage, die sehr aufgeräumt und eher kühl wirkt. Man realisiert sofort, dass hier aus altem etwas Neues geschaffen wurde. Man schaut auf Natursteinmauern, Wege, Hecken und Rebstöcke, auf einen offenen Bach mit kleinen Wasserfontänen. Insgesamt dominiert eine selten klare Linienführung und Terrassierung. Auch einige moderne Skulpturen beeindrucken sowie die nahe Bergkulisse. Alles in allem herrscht eine etwas fremdartige Atmosphäre, zumindest, wenn man das Ensemble zum ersten Mal betrachtet.

Stockalpers Werk

Und was war vorher da? Mitte des 17. Jahrhunderts wurde hier von Kaspar Stockalper vom Thurm die gestaltende Hand angelegt. Er war sozusagen der Fugger der Alpen und genialste Frühkapitalist weit und breit. Er kaufte und verkaufte alles, was nur irgendwie Profit versprach und war zudem ein Politiker von aussergewöhnlichem Rang.

Zwischen 1645 und 1671 liess er sich in Brig seinen Palast bauen. Dabei legte er unmissverständlich Wert auf die Symbolik der Zahl Drei. Der ganze Gebäudekomplex besteht aus drei Einheiten: Schloss, altes Stockalperhaus und Arkadenhof, der wiederum dreistöckig angelegt wurde. Auch der Park war in drei Bereiche geteilt: Lustgarten, Obstgarten und Wirtschaftsteil. Die drei quadratischen Türme mit vergoldeten Zwiebelhauben schliesslich wurden in Anspielung an die heiligen drei Könige nach Kaspar, Melchior und Balthasar benannt. War es ein Spleen, oder wollte Stockalper mit dem Bezug zur Dreieinigkeit seine Macht und sein Vermögen auch religiös absichern?

Wie der Schlossgarten im 17. Jahrhundert genau ausgesehen hat, wissen wir nicht. Bildliche Darstellungen fehlen. Hingegen sind die Strukturen, die der ursprünglich viel grössere Park hatte, bekannt: Vor die Hauptfront des Schlosses setzte Stockalper das Parterre, beziehungsweise Viridarium, wie er den Lustgarten nannte, davon deutlich abgesetzt das Pomarium (Baumgarten) und den Wirtschaftsteil. Damit war es im 17. Jahrhundert wohl der bedeutendste Garten im Wallis.

Auch von der Bepflanzung des Viridariums wissen wir nichts, können aber von einem Barockgarten nach französischem Vorbild ausgehen. Stockalper wollte es nämlich möglichst elegant, wie seine Aufzeichnungen belegen. Die älteste bekannte Ansicht von 1829 zeigt zwei Brunnen mit Fontäne und den Wuhrbach, der den Garten quer schneidet. Das Parterre war mit acht Feldern streng gefasst. Auf Darstellungen aus dem 19. Jahrhundert ist auch die sockelartige Stufung des Treppenaufgangs zum Hofeingang erkennbar.

Turbulenzen

Im 20. Jahrhundert verlotterte der Park zunehmend. Auch die Unterhaltung des Schlosses überstieg die Kräfte der Familie, welche die Anlage doch immerhin fast 300 Jahre erhalten konnte. 1948 kam das Schloss in den Besitz der Stadt Brig und beherbergt seit 1960 das Rathaus sowie ein Museum. Zu dieser Zeit war das Pomarium verwildert und der Ziergarten völlig verschwunden. In der Nordwestecke wurde eine Gärtnerei betrieben und 1954 wurde der Park gar als Campingplatz genutzt. Für die Zukunft war bereits ein Sportplatzprojekt in Planung. Als das Schloss 1955 restauriert wurde, warf man den Bauschutt einfach auf das Parterre und vor die Kellergewölbe.

Erst 1959 begann ein Umdenken. Zunächst sollte eine einfache Herrichtung des Schlossparkes erfolgen, welche sich an Formen des 17. Jahrhunderts anlehnte. Das Ganze blieb jedoch ein halbherziges Fragment und wurde nur teilweise realisiert. Nach der Überschwemmung der Briger Altstadt von 1993 wollte man den Park endlich neu gestalten. Die Kunsthistorikerin Patricia Bielander erstellte eine historische Analyse, in der alle verfügbaren Quellen zusammengetragen und ausgewertet wurden. Diese Studie diente als Grundlage für die Neugestaltung. Es sollte jedoch keine Rekonstruktion werden, vielmehr wollte man die Merkmale der historischen Anlage aufnehmen und weiter entwickeln.

Neugestaltung

Von 2000 bis 2002 konnte der Park für 3,6 Millionen Franken restauriert und nach Plänen von Kienast, Vogt und Partner gestaltet werden. Ihr Entwurf hatte die Jury durch seine Klarheit und präzise Einfachheit überzeugt. Der Park wurde wieder in das Parterre (Viridarium), den Park (Pomarium) und einen Wirtschaftsteil gegliedert. Mit weiten Flächen wollte man Grosszügigkeit erzeugen. Gleichwohl gelang es durch eine spannungsvolle Baumbepflanzung die verschiedenartigen Teilflächen zu verbinden.

Im Lustgarten wurde die ursprüngliche Unterteilung mit einer Mittelachse und drei Querachsen wieder hergestellt. Die Längsachse geht vom Schlosserker aus und endet an der Schlossmauer. Die Querachsen gliedern das Parterre in acht Rasenflächen, die mit niederen Hecken aus verschiedenartigen Buchspflanzen, Kornelkirschen, Weissbuchen und Scheinquitten ein wechselvolles Spiel ergeben. Damit wurde das dem Schloss vorgelagerte Parterre kraftvoll in Szene gesetzt.

Daran anschliessend folgt der Obstgarten mit einheimischen Obstbäumen und der Rebberg mit Trockenmauern und alten Waliser Rebsorten. Neben den Reben erreicht man über eine Treppe einen schmalen, schönen Rosengarten mit 30 Duftrosensorten. An der südlichen Aussenmauer entspringt der Wuhrbach aus einem Quellbecken und fliesst quer durch den Garten. Damit wurde eine moderne Interpretation eines barocken Gartenparterres kreiert.

Für das dritte Element des Parks, den Ökonomiebereich, wurde mit einem Pavillon unter einer Rosenpergola ein weiterer Akzent gesetzt. Dieser langgezogene, auf einem Sockel schwebende Pavillon aus Holz und Stahl schliesst die Parkanlage nach Norden hin ab. Entstanden ist damit ein grosszügiger Grünraum mitten in der Altstadt, welcher hinter den hohen alten Mauern kaum vermutet würde. Die pfiffig gestaltete Anlage wird auch von Jugendlichen geschätzt, die den Park gern zum Relaxen und Chillen nutzen. Und vielleicht schätzen sie dabei auch die geglückte Symbiose von künstlich Angelegtem und natürlichem Ambiente dieses Parks.

Adresse

3900 Brig/ VS, Alte Simplonstrasse 28
Frei zugänglich, Eintritt frei