Nordwestschweiz

Ermitage

Park Ermitage
Arlesheim/ BL

O beata solitudo!

„O beata solitudo, o sola beatitudo“ (O glückliche Einsamkeit, o alleinige Glückseligkeit) – so liest sich die Felsinschrift bei der Einsiedelei, die dem Park quasi das Motto gab. Entstanden war der Park, als in Europa mit Jean-Jacques Rousseau und Salomon Gessner die Naturverehrung aufblühte und mitunter auch skurrile Blüten trieb. 1785 eröffnete die Adlige Balbina von Andlau gemeinsam mit ihrem Cousin Heinrich von Ligertz die Arlesheimer Ermitage. Der Name (Ermitage = Einsiedelei) leitet sich von einer Klause her, in der die mechanische Puppe eines Waldbruders stand und dem Betrachter zunickte.

Für die damals aufkommende Mode des englischen Landschaftsparks war das Tal bei Arlesheim bestens geeignet. Im Gegensatz zu den geometrisch angelegten Barockgärten sollte hier eine „Oase unverdorbener Natur“ geschaffen werden. Die bereits vorhandenen Weiher, Höhlen und Grotten sowie die Mühlengebäude liessen sich für solch eine romantische Naturgestaltung aufs Feinste nutzen. Und so entstand nach fortlaufenden Ergänzungen mit Rokokoelementen ein sentimentaler Landschaftsgarten, wie ihn sich der Adel damals wünschte.

Die künstlich angelegten Szenerien wollten Imaginationen für das Auge schaffen, den Geist inspirieren und die unterschiedlichsten Emotionen wecken. Dabei waren Abwechslung und Überraschung angesagt. Die Gartentheorie des 18. Jahrhunderts beschreibt vier Arten solcher Szenerien: Heiterkeit, romantische Szenen, sanfte Melancholie und erhabene Feierlichkeit. Derartige Stimmungen liessen sich sehr wohl erzeugen: durch die Modellierung des Geländes, die Vegetation, den Lauf des Wassers sowie den Einbezug von Felsen und Grotten. Dabei wurde effektvoll auf Kontraste gesetzt, etwa vom Dunkel ins Helle, vom Geordneten ins Wilde, von der Offenheit zur Verschlossenheit. Inschriften und Staffagebauten wollten die Emotionen verstärken.

Idealisierte Romantik

Bei der Eröffnung des Parks umfasste die Anlage rund 15 solcher Szenen. Dabei wurden die Grotten mit Inhalten aus der antiken Mythologie bespielt (Diana-Grotte, Apollo-Grotte etc.), an markanten Orten wurden Aussichtskabinette gebaut (der Holzstoss des Eremiten, eine Aussichtsrotunde) sowie mit der Einsiedelei eine idealisierte Askese inszeniert. Der Burghügel, die Obstwiesen und das stille Waldtal boten dafür ein stimmungsgeladenes Ambiente.

Bald entstanden Kupferstiche, die sich rasch in Europa verbreiteten und die Arlesheimer Ermitage zum Begriff werden liessen. Für den englischen, französischen, russischen und deutschen Adel, für Künstler und Intellektuelle wurde sie zur festen Destination ihrer Bildungsreisen. Sie alle waren damals auf der Suche nach Erholung, Inspiration und romantischer Einsamkeit. So wundert es nicht, dass die Arlesheimer Ermitage zum Vorbild für viele andere romantische Gärten wurde.

Doch schon nach wenigen Jahren (1793) wurden Ermitage und Schloss Birseck von französischen Truppen in Brand gesetzt. Es sollte fast zwanzig Jahre dauern, bis Heinrich von Ligertz die Erneuerung der Anlage an die Hand nahm (1810-12). Dabei wurden einige der alten Szenen wiederhergestellt, andere, neue kamen hinzu. Der ruinöse Zustand des Schlosses wurde bewusst erhalten und sollte die romantische Bildqualität der Anlage erhöhen.

Abgesehen von einzelnen Eingriffen in der Mitte des 19. Jahrhunderts blieb die Ermitage in der Ausgestaltung von 1812 erhalten. Weiterhin sollten naturnahe Einfachheit und Empfindsamkeit, bis hin zum Gefühlsüberschwang erzeugt werden. Doch der Zeitgeist hatte sich geändert, und so nahm die Bedeutung des Parks in der Mitte des 19. Jahrhunderts ab. Das Tal mit seinen Ausstattungen wurde kaum noch gepflegt und verwaldete zunehmend. Seit 1999 steht die Ermitage nun unter Denkmalschutz, seit 2006 werden einzelne Szenen restauriert und neu erlebbar gemacht.

Ein Spaziergang

Wer sich heute im Park bewegen will, beginnt den Rundgang idealerweise am östlichen Ortsrand von Arlesheim. Zunächst begibt man sich in das Tal, begleitet vom Murmeln des Dorfbaches, links oben thront Schloss Birseck. So gelangt man zum Haupteingang beim Felsentor, das aus zwei Felsbögen besteht. Auf dem zweiten Torbogen ist das Begrüssungsmotto angebracht: „Natura amicis suis“ (Die Natur ihren Freunden). Hinter dem zweiten Felsentor führt eine steile, in den Felsen gehauene Treppe in die Parklandschaft.

Bald stösst man auf den sogenannten Rittiplatz, eine künstlich angelegte Terrasse, die für gesellige Aktivitäten genutzt wurde. In der Halbhöhle wurde damals gegessen und Musiker spielten von einem Podium herab zum Tanz auf. Auch ein Holzkarussell sowie Ball- und Ringspiele luden zum Vergnügen ein. Beim weiteren Rundgang lässt sich gut auf romantischen Wegen mit klug angelegten Sichtachsen wandeln. Den Kernbereich bilden jedoch die Eremitenklause mit Garten, Grotte und einem Wasserfall, der sich in einen ausgehöhlten Baumstamm, den imaginären Brunnen des Eremiten, ergiesst.

Am Hang warten weitere Szenerien, die verblüffen: etwa ein Temple rustique mit Schilfdach, der die Sehnsucht nach ländlicher Ursprünglichkeit und Fernweh verkörpert sowie verschiedene Grotten mit klarer Zuweisung zu antiken Gottheiten. Im Weiteren ein künstlicher Wasserfall und die Kapelle des Eremiten. Auch das Schloss auf der Höhe ist nur noch Staffage und soll – um der Romantik willen – eine Ruine bleiben. Weiterhin findet sich noch der „Holzstoss des Eremiten“, der Natürlichkeit suggeriert, hinter der Fassade aber ein Aussichtskabinett mit Blick auf das Tal mit seinen drei Weihern verbirgt.

In diesem unteren Teil der Anlage bewegt man sich in einer angenehmen Weitläufigkeit. Der grösste Weiher bietet eine hineinragende Kanzel, von der sich neben der Landschaft auch die stattlichen Fische betrachten lassen. Man schlendert weiter an den Waldhäusern vorbei und trifft nicht selten auf sportive Walker und Jogger (meist Frauen) sowie auf Hundebesitzer und leutselige Wanderer (meist Männer).

 

Der Arlesheimer Park gilt als grösster englischer Landschaftsgarten der Schweiz. Er wird heute in erster Linie von Einheimischen besucht und dient vor allem als Naherholungsgebiet. Die ursprüngliche Parkgestaltung ist zwar weitgehend verwischt, doch in den letzten Jahren wurden vom Parkpflegewerk einige Sichtachsen wieder geöffnet sowie ein Grossteil der Wege wiederhergestellt. Und immer noch haftet dem Park eine geheimnisvolle Aura von Sagenwelt, Leben in schlichter Frömmigkeit sowie Ritterromantik an. Neben einem individuellen Rundgang kann man auch thematische Führungen buchen, etwa zu historischen, religiösen oder mythischen Aspekten des Parks.

Adresse

4144 Arlesheim/ BL, Ermitagestrasse 52
Öffnungszeiten: frei zugänglich
Eintritt: frei